Zusatzurlaub

(§ 208 SGB IX (2018))

Menschen mit einer für das ganze Kalenderjahr anerkannten Schwerbehinderung erhalten (z. B. bei einer 5-Tage-Woche) einen Zusatzurlaub von 5 Tagen (§ 208 Abs. 1 SGB IX). Die Urlaubstage kommen zum Grundurlaub dazu, der den schwerbehinderten Beschäftigten laut Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. nach gesetzlichen Bestimmungen ohnehin zusteht und unterliegt somit auch den selbigen Bestimmungen.

Anspruch nicht für das ganze Jahr

Besonderheiten gelten gemäß § 208 Abs. 2 SGB IX dann, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht (z. B. Anerkennung der Schwerbehinderung ab dem 15. 07.).

In diesen Fällen hat der schwerbehinderte Mensch (nur) für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des regelhaften Zusatzurlaubs (im obigen Beispiel also für 5 Monate).

Entstehen bei dieser Berechnung Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, so werden sie auf volle Urlaubstage aufgerundet.

Der so ermittelte Zusatzurlaub ist ebenfalls dem allgemeinen Erholungsurlaub hinzuzurechnen.

Der Anspruch nach § 208 SGB IX ist ein Mindestzusatzurlaub. Sehen gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Regelungen (Betriebsvereinbarung) einen längeren Zusatzurlaub vor, so gelten diese Sonderregelungen zugunsten der schwerbehinderten Beschäftigten (§ 125 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

Bei einer Gleichstellung besteht demgegenüber kein Anspruch auf Zusatzurlaub (vgl. § 151 Abs. 3 SGB IX).

Ausnahmen hierzu gibt es allerdings in einzelnen Bundesländern für Arbeitnehmerinnen und Beamte.

Für Hessen gilt:

Bei einem nicht nur vorübergehend festgestellten Grad der Behinderung von wenigstens 25 % und höchstens 49 % kann Beamtinnen und Beamten wegen einer durch die Behinderung bedingten Erholungsbedürftigkeit Zusatzurlaub von bis zu drei Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt werden.

Diese Regelung gilt gem. § 27 Absatz 1 Satz 1 TV-TU Darmstadt auch für Beschäftigte.

Der Zusatzurlaub wird nach dem steigenden Grad der Erholungsbedürftigkeit festgelegt auf

- bei einem Grad der Behinderung von 25-29 1 Tag

- bei einem Grad der Behinderung von 30-39 2 Tage

- bei einem Grad der Behinderung von 40-49 3 Tage.

Bisher wurde dieser zusätzliche Erholungsbedarf grundsätzlich mit 3 Urlaubstagen berechnet. Dies ist künftig nicht mehr zulässig.

Die vorgenannte Neuregelung gilt für alle Neufeststellungen ab November 2011.

Siehe auch Informationen des Dez. VII zum Erholungsurlaub.

Bemessung des Zusatzurlaubs

Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des vollzeitbeschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmers auf mehr oder weniger als 5 Arbeitstage in der Woche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Arbeitet er z.B. an 4 Tagen in der Woche, stehen ihm auch nur 4 Tage Zusatzurlaub zu. Verteilt sich die Wochenarbeitszeit auf z. B. 6 Tage, beträgt der Zusatzurlaub ebenfalls 6 Tage. Auch bei Teilzeitarbeit von schwerbehinderten Arbeitnehmern ist die Verteilung ihrer Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich (z. B. 3 Arbeitstage pro Arbeitswoche = 3 Tage Zusatzurlaub). Die Urlaubsdauer ist aber stets auf eine Arbeitswoche begrenzt.

Geltung der allgemeinen Urlaubsgrundsätze

Ansonsten gelten die allgemeinen Urlaubsgrundsätze, d. h. der Zusatzurlaub folgt dem Grundurlaub hinsichtlich seines Entstehens (z. B. Wartezeit/Teilurlaub bei nicht voll erfülltem Urlaubsjahr; Urlaubsjahr = Kalenderjahr), der Gewährung (z. B. bei Lehrern in der unterrichtsfreien Zeit), seines Erlöschens und des Abgeltungsanspruchs nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis. (Dazu hier ein Urteil, falls man den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte).

Die wichtigsten allgemeinen Urlaubsgrundsätze

Der Arbeitnehmer erhält den Anspruch auf den vollen gesetzlich vorgeschriebenen Erholungsurlaub erstmalig nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (§ 4 Bundesurlaubsgesetz/BUrlG = 6-monatige Wartezeit).

Beginnt das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres, kann der Arbeitnehmer die erforderliche Wartezeit nicht mehr erfüllen.

In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Teilurlaub zu (§ 5 Abs. 1a – c BUrlG). Dies bedeutet 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses.

In den Folgejahren entsteht der gesetzliche Erholungsurlaub dann jeweils am Jahresanfang.

Ein bereits entstandener Anspruch auf Vollurlaub wird gesetzlich dann zu einem Teilurlaub verringert, wenn der Beschäftigte innerhalb der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Auch in diesem Fall des Teilurlaubs wird gezwölftelt.

Für schwerbehinderte Arbeitnehmer, deren Schwerbehinderung während des gesamten Kalenderjahres anerkannt ist, gelten diese allgemeinen Grundsätze zum Teilurlaub ebenso für den Zusatzurlaub.

Zwei Beispiele:

1.) Der schwerbehinderte Mensch tritt am 01. 10. in den Betrieb ein.

2.) Er scheidet am 31. 03. aus dem Betrieb aus.

In beiden Fällen erwirbt er – vorbehaltlich einer günstigeren tariflichen Regelung (vgl. § 13 Abs.1 BUrlG) – nur einen anteiligen Grundurlaub. Auch der diesem Grundurlaub hinzuzurechnende Zusatzurlaub steht dann nur anteilig zu.

Eine Besonderheit gilt insoweit wiederum für diejenigen schwerbehinderten Menschen, deren Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht. Ihr ohnehin bereits gezwölftelter Zusatzurlaub (siehe oben) darf nicht noch einmal nach den allgemeinen Regeln des § 5 BUrlG gemindert werden, auch wenn das Beschäftigungsverhältnis, z. B. wegen Ausscheidens in der ersten Jahreshälfte, nicht das ganze Kalenderjahr über besteht (§ 208 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).

Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs auf Zusatzurlaub:

Das Anrecht auf den Zusatzurlaub entsteht ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung. Das Vorliegen der Schwerbehinderung muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jedoch durch den Schwerbehindertenausweis nachweisen.

Wenn das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde über einen Anerkennungsantrag nicht im Jahr der Antragstellung entscheidet, kann der Anspruch auf Zusatzurlaub für dieses Jahr nur dadurch gesichert werden, dass der Arbeitnehmer den Zusatzurlaub von seinem Arbeitgeber ausdrücklich fordert (geltend macht). Allein der Hinweis, er habe einen Anerkennungsantrag gestellt, reicht dazu nicht aus.

Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs (§ 208 Abs. 3 SGB IX):

Wird die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt, entsteht auch ein rückwirkender Anspruch auf Zusatzurlaub. Hat sich das Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft allerdings mehrere Jahre hingezogen, kann nur noch der für das abgelaufene letzte Kalenderjahr rückwirkend entstandene Zusatzurlaub beansprucht werden.

Außerdem muss dieser Urlaub im laufenden Kalenderjahr bis zum Ende des Übertragungszeitraums (31.03.) genommen werden
(vgl. auch § 7 Abs. 3 BUrlG).

Die Länge des Übertragungszeitraums ergibt sich regelmäßig aus den Tarifverträgen. Auch für die Übertragung des Zusatzurlaubs aus dem Vorjahr im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist Folgendes zu bedenken: Die Ungewissheit über die Anerkennung der Schwerbehinderung ist kein Grund zur automatischen Übertragung eines möglichen Zusatzurlaubsanspruchs in das nächste Kalenderjahr bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums. Die Übertragung eines möglicherweise zustehenden Zusatzurlaubs muss vielmehr auch in diesen Fällen beim Arbeitgeber geltend gemacht werden.

Urlaub im Krankheitsfall

Dieser Anspruch ist in der Vergangenheit bisher regelmäßig erloschen. Der EuGH sieht dies nun in einer Entscheidung anders. Somit verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht mehr. Dies gilt lt. LAG Düsseldorf auch für den Zusatzurlaub.

Für Beamte gilt diese Regelung nicht (OVG Rheinland-Pfalz, 30.03.2010, Az: 2 A 11321/09 ).

Zusatzurlaubsanspruch bei Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft:

Der Anspruch auf Zusatzurlaub besteht, solange die Schwerbehinderteneigenschaft fortdauert. Bei einer Herabstufung auf einen GdB von weniger als 50 besteht Anspruch auf Zusatzurlaub auf jeden Fall bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides, mit dem die Verringerung festgestellt wurde (§ 116 Abs. 1 SGB IX).

Wurde ein Zusatzurlaub geltend gemacht und nur deshalb nicht gewährt, weil die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht endgültig anerkannt war, bleibt der Anspruch (aus § 125 SGB IX) auch dann erhalten, wenn der Grundurlaub mit Ablauf des Übertragungszeitraumes erloschen wäre (sog. Ersatzurlaubsanspruch). Kann der gesetzliche Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist er finanziell abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG)